199. bis 205. Kapitel der Kindheit und Jugend Jesu 

Diese Schrift ist kein Ersatz für die herrlichen Gottworte in  der  Jugend Jesu, aber ein Hilfsmittel für ein besseres Verstehen der himmlischen Offenbarungen des Lorberwerkes. Damit wir Menschen das Lebensziel erreichen oder wenigstens einige Schritte  unserer  geistigen Vollendung  näher kommen, ist es gut, unsere Gedanken auf die Urwahrheit auszurichten,  unser Wollen in der Liebe Gottes  zu aktivieren und unsere Handlungen im  Alltag  nach  göttlichen Gesetzen zu  betätigen.  Wenn  wir  unser  gesamtes  Wesen  nach diesen drei  Wirksamkeiten, nämlich Gedanken, Wollen und Tätigkeit umsetzen, dann ist unser Erdenleben sinnvoll gewesen. Diese Schrift und meine Kassetten sollen dazu beitragen:

1.        Deine Gedanken sollten im  Sinne  der  reinen  Vernunft  nach der unendlichen Weisheit Gottes berichtigt werden.

2.        Dein Wollen sollte nach dem Willen des ewigen Vaters stimuliert werden.

3.        Deine Handlungen sollten nach den Naturseelen- und  Geistgesetzen ausgerichtet werden. 

Wenn wir die Ausführungen  dieser  Schrift  bzw.  meiner  Ton-Kassetten  verstehen, unser Wollen danach einrichten und  unsere  Tätigkeit nach den besseren Erkenntnissen  daraus  aktivieren, dann wirkt dies  auf  uns  wiedergebärend  und  wir werden  einen  bedeutenden Schritt  näher zur unbeschränkten  Vollendung des  Geistes  und  der Seele gebracht.  Deshalb  kann  jeder  für  sich  abgeschlossene  Abschnitt ein Kilometerstein  auf  der  Vollendungsstraße  zum  Reiche  Gottes sein.

Damit dies aber wirklich  geschehen  kann,  bitte  ich  dich, über  die verstandenen Aussagen nicht hinwegzugehen, sondern sie  zu  verinnerlichen und nochmals zu lesen oder zu hören, bis du sie verstehst. Nehme bitte nur das an, was  du innerlich  bejahen  kannst.  Glaube nur, was du bejahst und setze  sofort  dein  Wollen  in  die Tätigkeit nach dem Geglaubten und Gewollten um.  Erst  diese  Tätigkeit  beweist, daß die Lehre stimmt. Durch die Wiedergabe  der  Lebensgeschichte Jesu erregen wir unsere Phantasie,  beleben  wir  schöpferische Vorstellungsbilder und werden so  in  das  Geschehen von  damals  eingeführt. Bitte betrachte  das  Wort  Phantasie  nicht als  ein Negativum! Phantasie ist ein  Gottgeschenk,  ein  Geschenk unserer Seele, mit dem wir Gedanken, Ideen und Bilder in  uns  aufnehmen.

Die Phantasie kann natürlich auch negativ sein, wenn  wir  menschlich Eigenes, Schmutziges und  Böses  einbringen. Doch  wenn  wir unsere Phantasie aus und  durch das Wort gestalten lassen, dann  ist sie kreativ, schöpferisch, von Gott inspiriert.

Nur   gelesene  oder  gehörte  Lebensgeschichten  aus  der Jesu-Zeit schaffen noch  keine Gegenwart in uns, sondern erstellen in uns  nur ein Abbild, oft auch nur  ein  Zerrbild  der  tatsächlichen  Ereignisse von damals. Erst mit der Aktivierung unseres Gottgeistes, in dem ja alles, alle Ereignisse der Jesu-Zeit vorhanden  sind,  alle  Ereignisse und alle Erlebnisse aller Zeiten, bekommen wir ein  reales  Bild  der Wirklichkeit von damals. Dies können wir üben, wie ich dies  schon  mehrfach nahegelegt habe, damit  wir  die  tatsächlichen  Ereignisse 

der Jesu-Zeit und die wirkliche Wahrheit aus Gott in  uns selbst  erfahren lernen. Eine von außen zugetragene  Wahrheit ist noch  nicht die Wahrheit, sie ist erst auf dem Wege,  eine  Wahrheit  zu werden.

Das Gottwort, gelesen oder gehört, ist nur ein  Hilfsmittel  zur Wahrheit, das noch aufzuschließen ist. Die rein göttliche  Wahrheit selbst  liegt darinnen,  in Gott und  ist  Gott  und  ist  auch  in  deinem Gottgeiste in dir selbst. Unsere  erste  Aufgabe  ist  es,  die Gottwahrheit durch Liebe zu Gott und zur  Menschheit  zu  wecken. Stimmen  wir uns ein in diese innere Wahrheit, die Gott selber ist. Diese Wahrheit öffnet  unsere   Herzen  und  unser  Gemüt,   wenn  sie  frei von  Belastungen   und  Betrübnissen  dieser  Welt   geworden   sind.  Diese Wahrheit ist für uns Christen  zugleich  die  göttliche  Liebe,  die wir Jesus Christus nennen, der der Schlüssel  zu Gott  ist.  Unsere Liebe  kann sich durch Ihn zur Wahrheit entfalten,  wenn  wir  unseren Verstand, unser Wollen und unsere Werke nach Seinen Lichtspuren  und nach Seinen Liebeslebenstrieben ausrichten.

Von den fünf Söhnen Josefs war Joel der Älteste und Jakob der Jüngste. Zu den Josefs-Söhnen kamen die acht  Adoptivkinder,  die Josef von Cyrenius angenommen hatte.  Biblisch  werden  all  diese Kinder  genannt, was einige  Wortleser  dazu  verleitete,  daß  Maria weitere Kinder geboren hätte. Doch davon steht im Gottwort nichts. Dies ist nur eine menschliche Meinung.

Treten wir nun wieder in die Jesu-Geschichte ein und stellen wir uns  dies so deutlich als möglich vor. Unser Geist gibt uns dafür das wahre  Bild. Wenn es noch mit eigenen  Phantasien entstellt ist, dann bedenke, daß dein Gottgeist  bemüht ist, alles Unreine davon zu  entfernen. Eines Tages wirst du die  Bilder  klar erschauen.  Glaube  daran und du wirst zum Schauenden,  zum  Visionär werden. Bedenke, wir sind dazu bestimmt, rein  Geistiges, das  allumfassende  Leben  Gottes zu erkennen. Erkennen aber heißt schauen und  wahrnehmen  mit  all unseren Sinnen,  mit  den  Seelen-  und  Geistsinnen  gegenwärtig  sein. Erkennen heißt weiter,  mit  all den Personen der Jesu-Zeit und mit Jesus selbst  verbunden  zu  werden und dadurch eins zu werden mit Gott, dem  Vater. Diese  Einheit  mit  Gott klärt  alle Bilder, alle Vorstellungen, alle Meinungen und Ansichten,  die von uns  aperiert gestaltet werden. Was heißt aperiert? Die Silbe ,ap’  heißt  weg, fort  und ,erare’ heißt wandern,  schweifen,   also  fortwandern.  Aperiert heißt also in  unserem Sinne  abweichen  vom  gotterleuchteten,  vernünftigen Denken oder Verhalten.  Wir  sind  so  lange  aperiert,  so lange wir in den Scheinbarkeiten dieser stofflichen  Welt  und seiner Vorstellungsbilder verharren, diese  bejahen  und  nicht  dahinter die wahre Gottwirklichkeit ersehen. Erst der göttliche Blick öffnet unsere Augen, mit denen wir die reale  Wirklichkeit  sehen. Darum  heißt  es in der  Heiligen  Schrift:  „Und Gott schlug ihre  sehenden  Augen  mit Blindheit.“  D.h. der  göttliche  Geist konnte nicht  durchstrahlen  durch die Verwirrungen der Seele, durch die Phantasiebilder unserer Seele, die Falsches  und  Unwahres  zuläßt  und  dadurch  das  Licht  der  Sonne  verschattete. Erst  das  göttliche Hören vermittelt uns die Stimme der  Wahrheit.  So  können  wir  dies  mit  all  unseren  Körpersinnen annehmen, wenn  wir  wollen  und  bereit  sind,  daß  Gott denkt, wolle und wirke und daraus beselige. Deshalb  steigen  wir in  das Jesu-Geschehen voll ein und dies mit all unseren Sinnen. Erleben wir mit all unseren Sinnen und     dem Gefühl der Liebe das Gottwort  mit  all den  Geschehnissen.  Lauschen  wir  den  Worten  des  Jesu-Kindleins: 

„Josef, was wirst du denn sagen, so die Kinder der Welt den  Herrn dereinst ergreifen und töten werden mit Hilfe des Satans? Wenn sie Ihn   wie   einen   Raubmörder  ergreifen  werden  und  werden  Ihn schleppen vor´s Weltgericht, da der  Geist  der  Hölle  sein  Walten hat? Dieser wird den  Herrn  aller  Herrlichkeiten ans Kreuz heften lassen. Was sagst denn du  dazu ? Wenn  mit  Ihm  geschehen  wird, wie die Propheten von Ihm ausgesagt haben, deren Worte  dir wohl  bekannt sind; was sagst denn  du  dazu?“  Als  Josef  vom  Kindlein  solches  vernommen hatte, da erschrak er und Cyrenius und sprach sehr heftig: „Mein Jesus, mein  Gott,  mein  Gottsöhnchen,  solches geschehe nur Dir nicht! Die  Hand,  die  sich  je  an  Dir vergreifen würde, soll verflucht sein ewig, und  ihres  Trägers  Seele  soll ewig in der möglichst größten Qual ihren Frevel büßen.!“ Und Cyrenius schlug  sich  samt  Jonatha  zu  der  Partei  Josefs  und sprach: „Ja, wenn solches je möglich geschehen könnte, - für  ewig wahr, da will  ich von heute an der grausamste  Tyrann werden!   Zweihunderttausend der geübtesten Krieger stehen unter meinem Befehle; nur einen Wink kostet es mich,und Tod und Verderben sei aller Welt gebracht!

Ehe ein frecher Teufel von einem  Menschen  seine  Satanshände an dieses Kind legen soll, eher will ich alle Menschen umbringen lassen auf der ganzen Erde!“

Diese erregenden Cyrenius-Worte und die Worte  Josefs  zeigen eine gar heftige Emotion an. Sie zeigen uns, wie der Mensch brutal werden  kann, wenn sein Liebstes verletzt wird. Es ist wohl  gut  und  gerecht, daß es so etwas gibt, daß man Gott schützen will  im  Kindlein, doch wie menschlich irrend ist es gedacht   und deshalb  lächelte das  Kindlein über die erregten Worte des Cyrenius und  sprach: 

„Wenn deine Krieger  das  tun,  dann  werden  aber  dennoch  deine Krieger übrigbleiben, wer wird dann iese aus der Welt schaffen? 

Eine weise Frage, über die  wir  wahrlich  nur  mit  Andacht  nachsinnen und  aufblicken   können  zu  unserem  Gott.  Darum  sprach  das Kindlein weiter: 

„Siehe, mein lieber Cyrenius, wer da weiß, was er tut und  tut  Ungerechtes, so tut er Sünde und ist ein Täter des Übels;  wer  aber  nicht weiß, was er tut und  tut also Ungerechtes, dem soll es vergeben sein! Denn er wußte ja nicht, was er tat. Nur so jemand  wohl  wüßte,  was er täte und möchte nicht tun aus sich Ungerechtes, wenn er  aber  gezwungen wird, da sträubt er sich nicht und  tut  Ungerechtes,  der  ist ein Sklave der Hölle und zieht sich selbst das  Gericht  auf  den Hals.

Die Hölle aber weiß wohl, das da mit den blinden Werkzeugen besser zu handeln ist als mit den sehenden; daher hält sie auch fortwährend die Blinden in  ihrem  Solde,  und  eben  diese Blinden  werden  den  Herrn der Herrlichkeiten ans Kreuz heften! Wie willst du aber einen Blinden strafen darob, so er auf   dem Wege mit dem Fuße anstieße und fiele und zerbräche sich Arme und Beine?! Daher bleibe du mit deiner Macht nur so hübsch fein zu Hause, die viel mehr Unheil als Heil  auf  der Erde stiften  möchte!  Und  sei  versichert,   daß  Der, Den die Menschen dem Fleische nach töten werden  in ihrer  Blindheit, im Geiste und in Seiner Kraft  und  Macht  nicht  getötet  wird, sondern alsbald  wieder erstehen wird aus eigener Kraft und Macht und wird erst dadurch eröffnen  aller Kreatur den Weg zum ewigen Leben!“ 

Die Blinden bezeichnen diejenigen, die nicht im wahren Verständnis  aus Gott  sind,  deren  Verstand  nicht  analytisch, rein und klar vom Geist erweckt und sich dessen bewußt sind, sondern deren Verstand aperiert ist, abgewichen vom wahren  Wege der Erkenntnis. Hier mit diesem Gottwort wollen wir nach  und  nach lernen, von diesen  Verwirrungen und Abirrungen unseres Gemütes,  unseres  menschlichen Verstandes loszukommen und freizuwerden für die göttlichen  Inspirationen  aus  dem wahren Geiste Gottes in uns, der da ist das  Wort  und die Wahrheit. Die wunderbare  Kraft  und  Macht  Gottes  ist  in uns, die wir hierfür offen sind. Diese  Kraft  und  Macht  Gottes,  die Jesus aus dem Grabe, aus dem Tode und aus  der  Materie  herauslöste, sie erlöst uns aus den  Scheinbarkeiten  von  Materie, Raum und Zeit. Diese Kraft  ist  uns  übergeben  worden. Denn  es  heißt,  aller Kreatur ist der Weg zum Leben geöffnet worden  durch  Jesus  Christus. Diese Kraft Gottes aus Liebe, Weisheit  und  Licht  und  Leben geboren, ist in uns Jesus, ein Etwas, das wir mit dem  Geiste  Gottes  bezeichnen. Wir können diese Kraft heute  noch  nicht  richtig  erfassen, aber sie ist allgegenwärtig und  sie  kann uns  den  Weg  weisen aus den Leiderfahrungen, aus dem  Leidgeschehen  der  Materie und der Zeit und des Raumes.  

Die heftigen Worte  des  Cyrenius  brachte  auch  die Tullia-Gesellschaft, die bis jetzt den kleinen Jesus nicht beachtet hatte,  zur Aufmerksamkeit auf  die kleine Gesellschaft. Das Kindlein aber verwies die  Gesellschaft  zurück  und  sprach: „Gehet an eure Sache; denn was hier vorgeht, ist nicht für euch, ihr Blinden!“

Es ist verständlich, daß das Kindlein nun  anders reagierte als es  die  sogenannte Tullia-Gesellschaft erwartete. Die Voraussage des Kind-          leins nach dem Grübchenspiel von der Kreuzigung war die erste Leidverkündigung, die Jesus als Mensch  hier auf  Erden  seinen  Nachfolgern verkündet hatte. Niemand der anderen Hausbewohner, einschließlich  Maria, hatte so den Eintritt Jesu mit den  Kindern  und  Cyrenius  ins Zimmer beachtet. Erst die  Worte  über die  Kreuzigungsvoraussage erschütterte die Anwesenden alle. Diese Unachtsamkeit gegenüber Seiner Person rügte darum  das  Jesu-Knäblein und deutete sie als ein Zeichen der Zeit. 

Josef entschuldigte die  scheinbare  Unachtsamkeit  der  Maria  und  der anderen Hausgenossen gegenüber  dem  kleinen  Jesus  als  eine weltliche Vorsicht, damit  die  Göttlichkeit  des Jesu-Kindleins  nicht  eingeweihten verraten würde. Das Kindlein  aber antwortete:„Josef, du hast wahr geredet, aber dessen  ungeachtet gibt es dennoch einen großen   Unterschied   zwischen   Maske   und  Klugheit.  Die Maske macht  das  Gemüt kalt,  aber die Klugheit erwärmt das  Gemüt. Wozu aber Maske, wo die Klugheit ausreicht? Wozu Verstellung, wo die natürliche Weisheit tausend Sicherungsmittel  bietet?  Bin  Ich  nicht der Herr, dem ja die  ganze Unendlichkeit auf einen Wink gehorchen muß? Weil sie nichts als nur ein festgehaltener Gedanke aus  Mir  ist  und ist da als ein ausgesprochenes  Wort aus  Meinem  Munde?!  Bin Ich aber der alleinige, wahrhaftige Herr, wie sollte da zu Meiner  Sicherung vor der Welt deine Gemütsmaskierung  wirksamer  sein  als  eine ganze Welt voll  von  Meiner  ewigen  Macht ? Siehe, ein Hauch aus Meinem Munde, - und  die ganze  sichtbare  Schöpfung  ist  nicht mehr ! Meinst du  da wohl, Ich habe deiner  Gemütsmaske  vonnöten, um Mich und dich vor den Nachstellungen der  Welt  zu  verwahren?

O  nein, dessen bedarf Ich  nicht!  Denn  Ich  halte  Mich  nicht  etwa  aus Furcht vor der Welt verborgen, sondern allein nur des Gerichtes    wegen, damit  die Welt nicht  gerichtet werde, so sie mich  erkennete in ihrem Argen. Daher seid ihr in Zukunft wohl klug  des  Heiles  der Welt wegen; aber mit der Maske bleibet Mir  ferne, denn diese ist  in ihrer besten Stellung eine Geburt der Hölle und du Maria,  kehre  du zu deiner ersten Liebe zurück, sonst wirst du dereinst viel  Trauer  zu bestehen haben darum, daß du Mich  jetzt  der Welt wegen durch  die  Maske deines Herzens kalt behandelst!“

Diese Worte  brachen der Maria das Herz  und sie  ergriff  mit  aller  Macht der Liebe das Kindlein und drückte es an ihr Herz  und  koste es mit der größten  Glut  ihrer  mütterlichen  Liebe.  Als  Maria  das  Kindlein eine Zeit lang gekost hatte, da  fragte  sie  ganz  furchtsam:

„Mein Jesus, wirst Du mich, Deine Magd wohl wiederlieben wie die Magd Dich ewig lieben wird? Das Kindlein lächelte die Maria  gar freundlich an und sprach: „Aber Maria, was  hast  du  wieder  eine schwache Frage gestellt! Wenn Ich dich  nicht  mehr  liebte  als  du   Mich, was wahrlich wärest du da wohl? Siehe, so du  Mich  liebtest mit der Glut aller Sonnen, so wäre aber dennoch solche  deine  Liebe nichts gegen Meine Liebe,  mit  der  Ich  den  ärgsten  Menschen selbst noch in  Meinem  Zorn liebe. Und Mein  Zorn  selbst ist mehr Liebe als deine größte Liebe. Was ist  dann  erst  Meine  eigentliche Liebe, die Ich zu dir habe? Wie hätte Ich  dich  wohl  je  zu  Meiner Gebärerin gewählt, wenn Ich dich nicht geliebt hätte - mehr, als  es je die Ewigkeit fassen wird?! Siehe, wie schwach da deine Frage ist! Ich sage dir: Nun gehe und bringe die Tullia;  denn  Ich  habe  gar wichtige Dinge mit ihr zu  reden!“                         

Halten wir inne, ich möchte dir einige Texte über  den  Zorn  Gottes aus verschiedenen  Werken  zitieren,  die  der  Herr  offenbart  hat durch Swedenborg, Lorber, Böhme und Eckehart.

So spricht der Herr durch E. Swedenborg im Werk Himmel und Hölle (545): 

Der geistige  Sinn  des  göttlichen  Wortes  lehrt  uns,  daß Gott  niemals  Sein  Angesicht  vom  Menschen  abwendet,   noch ihn von Sich stößt.  Er  wirft  niemanden in die Hölle  oder zürnt ihm. Dies erkennt auch jeder, dessen Gemüt in der Erleuchtung ist, wenn er das göttliche  Wort  liest.  Er  erkennt  dies  schon  daraus,  daß Gott das Gute selbst ist, die Liebe selbst ist und  daher  die  Barmherzigkeit  selbst  ist.  Das Gute kann niemandem Böses zufügen und die Liebe selbst und  die  Barmherzigkeit  selbst  kann  den  Menschen nicht von  sich stoßen, weil dies  gegen  das  eigentliche Wesen der Barmherzigkeit  und  der  Liebe und somit gegen das Göttliche selbst ist.  Wenn  daher  im  göttlichen Wort  Zorn  und  Grimm  genannt  wird, dann ist es  nicht Gott zuzuschreiben. Zorn  und  Grimm  ist  bei  den  Menschen und es  heißt so  im Wort, weil es vor den Menschen   so erscheint, wenn er gestraft und  verdammt wird.  

Weiter  spricht  der  Herr in der Haushaltung Gottes durch  J. Lorber  (1.Bd, Kap.46,6);                                                   

Unser  allerheiligster  Vater  ist  übergroße  Liebe  und  Sein Zorn ist der Zorn  einer  Taube  für  den  Reumütigen.  Aber Seine Liebe ist gleich einer starken Quelle, welche  das  Weltmeer unablässig nährt. 

Sinne darüber ebenfalls in deinem Herzen nach und lasse  die  Gedanken in dir lebendig werden.

In Jakob Böhmes Aurora lesen wir (2/41): 

Und obgleich in Moses geschrieben steht:  „Ich  bin  ein  zorniger und eifriger Gott!“ , so  hat  es  darum  nicht  die  Meinung, daß sich Gott in sich selbst zürne  oder  daß  ein  Zornfeuer in der heiligen Dreifaltigkeit  aufgehe. Nein,  das  kann nicht sein, denn es steht  über  die,  so  Mich  hassen. In  derselben Kreatur geht das Zornfeuer Gottes  auf.  So sich aber  Gott in Sich Selbst sollte erzürnen, so  würde  die  ganze  Natur brennen, welches einmal am  jüngsten  Tag in der Natur, aber nicht in Gott  geschehen  wird.  In  Gott  aber  wird  die triumphierende  Freude  der Liebe brennen, wie es denn von Ewigkeit nicht anders gewesen ist und auch nicht anders werden wird. 

So spricht der Herr in der Haushaltung Gottes (2.Bd. 231,22 ff):

Wie kannst du dir wohl einen zornigen Gott  vorstellen?  Siehe, Liebe und Zorn sind  das  Allerentgegengesetzteste,  was sich nur je ein allertiefst denkender lebendigster  Geist  denken kann. Liebe ist das alles ewig erhaltende, und Zorn aber das alles ewig zerstörende Prinzip. Wäre somit aber  in  Mir je irgendein barster Zorn möglich, so würde  dieser  alsbald alle Liebe vernichten und mit ihr alles,  was  da  von  ihr  er-           schaffen wurde, ja endlich sogar sich selbst! Siehe, nun aber  ist alles noch da; wo wäre  demnach  Mein  Zorn?  Es  kann wohl ein Mensch zornig  werden,  weil  er  ist  zufolge seiner   Freiheitsprobe ein von Mir entferntes Wesen, und somit ein zeitweiliger Gegensatz  zu  Mir,  darum  er  sich  dann  eben auch nur wieder durch die  Liebe zu Mir mit  Mir  vereinen kann, aber Ich als die allerreinste  Liebe  bin  durchaus  des           Zornes unfähig! Ja einst war die Liebe in Mir wohl auch mit dem Zorne umfangen; da aber war die  Unendlichkeit  auch  noch leer von allen Geschöpfen, sowohl geistig als auch  materiell! Aber die  Liebe  ergriff  den  sie  drückenden Zorn  und stellte ihn körperlich wesenhaft außer Sich. Und siehe,   aus diesem Zorne sind  dann  geschaffen  worden  alle  die zahllosen Geister, Sonnen und  Welten, diese Erde und  alles, was auf  ihr ist! Willst du  demnach  in  der  Wahrheit den Zorn Gottes sehen, da schaue die  geschaffenen  Dinge an; diese sind der Zorn Gottes. 

Dazu eine kleine Bemerkung von mir: Der Zorn, der  von  Gott  herausgestellt wurde, ist das, was man auch nennt die Lichtstruktur, die  Essenz, aus der einmal über die Substanz der Seelenentwicklung die  Materie wurde. Die  Materie  ist  in  diesem  Sinne der  Zorn Gottes.

Hören wir den Text nun weiter ab Vers 32 bis 35:

Aber sie sind nicht etwa  ein  ledig  Zorn,  sondern  Meine  Liebe  ist  allenthalben das mächtigste Wesen dabei. Diese   hält und trägt nun alles, und außer ihr gibt es keine Macht mehr, die da  stärker  wäre denn sie. Darum soll auch der   Mensch nicht an der Welt hängen,  sondern  sich  von  ihr ganz  losreißen, damit er am Ende nicht von ihr verschlungen wird und somit nicht gerät in Meinem Zorn! Denn die Welt ist ja Mein gefesselter Zorn; wer  aber  mit der Welt ist, der wird auch mit ihrer ewigen Todesfessel  sein! Was  du  aber an Mir  als  Zorn  ansehen  möchtest,  siehe,  das ist  nur Mein göttlicher, allerlebendigster Liebeeifer,  welcher an  und für sich ist Meine Erbarmung! 

So spricht der Herr durch Eckehart von Hochheim: 

Und bin ich recht hinüberversetzt in das göttliche Sein,  so wird Gott mein und alles, was Er Selber  hat,  und  darum sagt Er, dieser Gott und Vater,  Ich  bin  Gott, Dein Herr, wenn das ist, dann habe Ich rechte  Freude,  wenn   weder Leid  noch Qual sie Mir nehmen kann. Denn dann bin Ich versetzt in  das göttliche Sein, in dem kein Leid Raum hat. Sehen wir doch, daß in Gott  weder  Zorn,  noch Betrübnis ist, sondern nur Liebe und  Freude.  Scheint  es  auch, daß Gott  mitunter  über  den  Sünder zürne, wisse, es ist nicht Zorn, es ist die Liebe, denn  es  kommt  aus  großer  göttlicher Liebe, die Er, der Vater,  Jesus,  ist. Die Er liebt, die straft Er ja, denn es ist die  Liebe,  die  da  ist  der  heilige Geist. Also kommt der Zorn Gottes aus der Liebe, denn  Er zürnt ohne Bitternis. 

Es ist unendlich wichtig, daß wir den Zorn Gottes verstehen  und aus dem Zorn Gottes die Liebe und aus der Liebe die Worte  unseres  Jesus, die Er durch Jakob Lorber gesprochen hat.

Trifft uns nicht öfters der Zorn Gottes? Verstehen wir die  Güte  Gottes immer in den Umweltereignissen? Werden  Krankheit,  Leid  und Ungemach der Liebe Gottes nicht als Zorn von uns gedeutet? In  diesem Sinne ist  Zorn ein Gericht, ein Festhalten an Materie und  Raum und Zeit. Materie in ihrem Grimme ist Zorn. Bedenke dabei, Materie ist Satan, ist Hölle, ist Gericht, ist die von der Liebe getrennte  Weisheit und dies  schmerzt, dies  ist  leidvoll,  dies  tut  weh.  In  diesem Gottzorne leben wir und es ist gerade der Zorn, d.h. die Materie, die es uns ermöglicht,  so  schnell  als  möglich  wieder einzutauchen ins Reingeistige, was wir Gott nennen.          

Maria gehorchte und holte die Tullia. Als Tullia ganz furchtsam  in  das Kabinett trat, da sich das Kindlein befand, da richtete  sich das  Kindlein auf  und sprach zu Tullia: „Tullia,  du  Erweckte, höre,  es  war einst  ein  großer  König  und  war  ledig  und  voll  männlicher Schönheit und voll  echter  göttlicher Weisheit. Dieser König sprach zu  sich: Ich will gehen und mir ein  Weib suchen  in einem fremden Orte, da mich niemand kennt. Denn ich will ein Weib  nehmen  meiner selbst willen und das Weib soll mich lieben, weil ich ein  weiser  Mann  bin, aber nicht darum, weil ich ein König bin. So zog er aus seinem Reiche in die ferne Fremde und kam in eine  Stadt  und  machte da bald Bekanntschaft mit einem Hause. Die Tochter des Hauses war erwählt und diese hatte  eine  große  Freude,  denn  sie  erkannte bald in dem Bewerber eine große Weisheit. Der König aber dachte, du liebst mich nun wohl, da du  mich siehst und  meine  Gestalt   und meine Weisheit dich fesselt;  ich  aber  will  sehen,  ob du  mich  wahrhaft liebst! Darum werde ich mich als Bettler verkleiden und werde dich so öfter belästigen. Du aber sollst nicht wissen und  irgend  im  geringsten  erfahren, daß ich  im  Bettler  stecke.  Wohl aber soll der Bettler ein  Zeugnis  von  mir  tragen als sei er ein inniger Freund, aber sonst arm in dieser  Fremde  wie  sein  Freund.

Und es soll sich  dann  zeigen,  ob  mich  diese  Tochter   wahrhaft  liebt. Und  wie sich der große König die  Sache  ausgedacht  hatte, also wurde sie sogleich  ausgeführt. Es kam da  nach  einiger  Zeit  der König zum  Schein  als  Bettler  zur Tochter und sprach zu ihr:                                                             

,Liebe Tochter dieses reichen Hauses, siehe, ich bin  sehr  arm und weiß, daß du große Reichtümer besitzest. Ich saß am Tore als   dein herrlicher Bräutigam verreiste und bat  ihm  um  ein  Almosen.  Da  blieb er stehen und  sprach: ,Freund, ich habe hier  nichts  bei  mir,  das ich  dir  reichen  könnte,  außer  dieses  Andenken  von  meiner  Braut, die sehr reich ist. Gehe bald zu ihr und zeige es  ihr  in  meinem Namen,  und sie  wird  dir  so  sicher  geben, als sie mir geben würde, dessen du vonnöten hast! Wann  ich  aber  ehestens  zurückkehren werde, da  werde ich dir  tausendfach  alles  ersetzen!’   Als  die Tochter solches vernommen hatte, war sie voll Freude  und  beteilte den Bettler. Da ging der  Bettler  und  kam  in  einigen  Tagen wieder und ließ sich melden bei  der Tochter.  Die  Tochter ließ ihn auf ein   anderes  Mal  bescheiden,  da  sie  nun Besuche hatte. Der Bettler kam zum anderen Male und  ließ  sich  melden.  Da hieß es: ,Die Tochter ist mit einigen Freunden ausgegangen!’ Und der  Bettler kehrte traurig zurück. Als er an das Haustor kam, da begegnete ihm die Tochter in der Mitte ihrer Freunde und achtete des Bettlers  kaum.  Wohl sagte dieser: ,Liebe Braut meines Freundes, wie liebst du ihn denn, so du seinen Freund  nicht  hörst?’  Die  Tochter  aber sprach: ,Ich will Zerstreuung; wenn der Freund  kommen wird, den werde ich schon wieder lieben!’ Darauf   begab  sich  am  nächsten Tage der Bettler wieder zur Tochter  und  fand  sie  voll  Heiterkeit; denn  sie hatte  ja  eine recht muntere Gesellschaft. Und der Bettler fragte sie: ,Liebst       du wohl deinen Bräutigam -  und bist  so  heiter, da er verreist ist in Geschäften  um dich?’ Da  schaffte die Tochter den Bettler hinaus  und  sprach:  ,Das   wäre  ein  Verlangen!  Ist’s nicht genug, so ich ihn  liebe,  wenn  er da ist? Was  soll  ich ihn in seiner Abwesenheit auch lieben? Wer weiß, ob er mich liebt?’ Hier warf der Bettler sein zerrissenes Oberkleid weg und sprach zur erstaunten  Tochter: ,Siehe, der verreist ist, war stets hier, zu  merken  deine  Liebe!  Da  du  aber dachtest kaum an ihn, und der,  der  dir das  Zeichen  deines   Schwures   zeigte,  ward  verstoßen  und  verhöhnt, da dir die Weltgesellschaft besser zusagte.  Aber siehe, eben dieser ist jener, der nun vor dir steht,  und  ist  jener  große  König, dem alle  Welt  zugehört!  Und  dieser  gibt  dir  nun  alles   zurück,  was du ihm gabst, tausendfach; aber dir kehrt er für ewig den  Rücken, und du sollst nimmer sein Angesicht sehen!’ Tullia! Kennst  du  diesen  König  und  diesen  Bettler? Siehe, Ich bin es,  und  du  bist die Tochter! Auf der Welt sollst du glücklich sein;  was  aber  nachher, das sagt dir dieses Gleichnis. Ich  gab  dir  Leben  und  großes Glück, und du magst meiner  nicht  gedenken? O  du blindgeborene  Römerin! Ich habe  dir  Licht  gegeben, und  du  hast  Mich  nicht  erkannt. Ich gab dir einen Mann aus den Himmeln, und du  wolltest  an ihm Meinen Liebeteil für dich nehmen. Da warst du tot; Ich habe dich wieder erweckt, und du nahmst dafür der Welt Huldigung an und achtetest Meiner nicht.  Und  jetzt,  da Ich dich rufen ließ,  bebst  du  vor Mir wie eine Ehebrecherin. Sage, was wohl soll Ich mit dir anfangen? Soll Ich ferner noch betteln  vor  deiner  Türe?  Nein,  das  werde Ich nicht, sondern ich werde dir geben deinen Teil, und dann  werden wir  quitt sein!“ -

Diese Worte erfüllten das ganze Haus mit Entsetzen. Das Kindlein aber begehrte mit Seinem Jakob allein hinaus ins Freie zu gehen und kehrte bis zum späten Abend nicht wieder zurück. 

Schon einmal wurde die Tullia  mit  der römisch-katholischen   Kirche verglichen   und hier noch einmal.  Es ist keine Kritik an  der  Römerin, d.h. an   der   römisch-katholischen   Kirche,  denn sie  hat  viel  Liebe.

Doch das  Zeugnis des Jesu-Kindleins zeigt  schonungslos die  Lügenhaftigkeit  mancher  römisch-katholischen Christen, die der Welt mehr huldigen als dem wahren Erwecker des Lebens, der da ist  Jesus  Christus.  Symbolisch  sind  die Tullia-Gebärden  und  Handlungen und ihr Weinen ein Bild der römisch-katholischen  Christen  und  wer   tröstet  die Römerin, die Tullia? Maria tröstet die Römerin! Tut sie  dies nicht  auch  heute noch? Machen die Katholiken die Maria nicht zur Fürsprecherin und Trösterin? Aus diesem  Gottwortwissen  wird  der  übertriebene  Marienkult  verständlicher,  wir  haben  in ihm damals schon ein Gleichnis in der Tullia. Tullia sieht  ihre  Fehler ein, bereut aufrichtigen Herzens und wendet ihre Liebe voll zu Jesus und da wird sie rein. Gereinigt durch die Liebe zum Jesu-Kindlein nach außen und zum wahren Jesus in ihr selbst. Genauso steht es mit den Millionen Christen, die  im Marien-Kultus ihre Religiösität  begründet  haben. Wenn  sie  in  reiner Liebe zu Jesus erwachen, dann sind sie wahrhaft Kinder Seiner  Kirche und Kinder  des Himmels, so wie es bei der Tullia wurde.  Und  darum verlangte das Jesulein nach  der  Tullia. Und das  Jesulein  bezeichnete die Tullia nun auch als rechte Speise für Ihn.  Und  so sprach das Jesulein zur Maria: 

„Ich sehe noch eine andere  Speise.  Gib Mir  auch  davon  zu  essen. Siehe, es ist das Herz der Tullia, gib  es  Mir,  weil  du  es  schon  für Mich zubereitet hast.“ Hier aber fiel die Tullia vor dem Herrn nieder und weinte. Danach sprach  das  Kindlein folgende Worte zur  Tullia. „Tullia siehe, Ich bin nun  recht  müde geworden. Du hast Mich einst auf den Armen getragen und es tat Mir  wohl,  denn  du  hast  recht  weiche Arme. Also erhebe dich auch jetzt und nimm Mich  auf   dei-ne  Arme und fühle, wie süß es ist, den Herrn des Lebens in den Ar-men zu haben!“ Dies Begehren des Kindleins brach der Tullia  völlig das Herz. Mit der ihrem Herzen möglichst höchsten Liebe nahm sie das Kindlein auf  ihre weichen Arme  und  weinend  sprach  sie: „O Herr, wie ist es wohl möglich,  daß  Du  mir  nun   gegen  deine  schreckliche   Drohung  so  gnädig   bist?“  Das  Kindlein  sprach: „Weil du die alte Tullia,  die Mir   zuwider  war,  ausgezogen   und  eine neue, Mir werte, angezogen hast! Doch  jetzt  sei  ruhig;  denn nun habe Ich dich schon wieder lieb!“  Durch diese  Szene  wurden  alle zu Tränen gerührt.

Je länger nun die Tullia das Kleine auf den Armen hielt, desto mehr  erkannte sie ihre Lebensfehler in sich und  weinte  darob  sehr  von Zeit zu Zeit. Da richtete sich das Kindlein auf und sprach  zur  Tullia: „Du Meine liebe Tullia,  das gefällt Mir schon wieder nicht  an dir, daß du nun in einem fort weinst, da du Mich doch  auf  den  Ar-men hast. Sei nun heiter und fröhlich,  denn  Ich  habe  kein  Wohl-gefallen an den Tränen der Menschen, wenn  sie  da  fallen, wo  sie  nicht            vonnöten sind. Meinst du etwa, deine Tränen  werden   reinigen dein Herz von aller Sünde vor Mir?  O  siehe,  das  ist  töricht!  Die Tränen gleiten wohl über deine Wangen und trüben  deine  Augen, was dir schädlich ist sogar, aber übers Herz gleiten die Tränen nicht; wohl aber machen sie es  oft  verschlossen, daß  dann weder etwas Gutes noch etwas Böses inselbest eingehen kann.  Und  siehe, das bringt dann auch den Tod dem Geiste, dem Geiste, der im Herzen  wohnt, denn ein trauriger Mensch ist stets ein beleidigtes  Wesen und dieses Wesen ist für nichts  aufnahmefähig. Höre, nur  drei  Tränen habe Ich in das Auge des Menschen gelegt und  diese  sind:  die   Freudentränen,  die  Mitleidsträne   und   die  Träne,   die  der Schmerz erpreßt. Diese allein mag  Ich   sehen;   aber  die  Trauerträne, die Reueträne und die  Zornträne,  die  aus  dem  Mitleid mit  sich  selbst entsteht, sind Früchte des eigenen Grundes und Bodens  und haben bei Mir einen geringen Wert. Denn die Trauerträne  entstammt einem   beleidigten  Gemüte  und  verlangt  Ersatz;   kommt dieser nicht, so wandelt  sich ein solch Gemüt leicht in einen geheimen Zorn und endlich  in  ein  Rachegefühl  um. Die  Reueträne  ist ähnlichen Ursprungs und kommt  erst  dann  nach  der  Sünde  zum Vorschein, so eben die Sünde eine wohltätige Züchtigung nach  sich  gezogen hat. Dann aber ist sie keine Träne über die Sünde, sondern nur eine Träne ob  der Züchtigung und darum auch über die Sünde, weil diese die Züchtigung zur Folge hatte. Auch diese  Träne  bessert das Herz nicht;  denn der Mensch flieht dann die Sünde nicht aus Liebe zu Mir, sondern aus Furcht vor der Strafe, und siehe, das ist ärger denn die Sünde selbst. Was aber die Zornträne betrifft, so ist sie nicht wert, daß Ich von ihr ein Wort spreche;  denn diese ist ein  Quellwasser aus dem  Fundamente  der  Hölle.  Diese  Träne  aber  befeuchtet wohl  dein Auge nicht, sondern nur die  Reueträne.  Ich aber  sage es dir:  Trockne dir auch diese von deinen Augen, denn du siehst ja, daß Ich an ihr keine Freude habe!“ Hier wischte sich die Tullia die Augen  und  sprach: „O Herr, wie  endlos  weise und gut bist Du doch. O wie heiter und fröhlich könnte  ich  doch  sein,  wäre  ich  keine  Sünderin mehr. Aber ich habe in Rom auf Geheiß des Kaisers einem Götzen geopfert und diese Tat nagt wie ein Wurm an meinem Herzen!“ Und das Kindlein sagte: „Diese Sünde habe Ich dir schon eher  vergeben,  als du sie begangen hast. Aber du warst Mir um die Liebe  des  Cyrenius neidig ;  siehe, das war eine große Sünde! Ich aber habe dir nun alles  vergeben, und du hast keine Sünde mehr, weil du Mich wieder  liebst; daher sei fröhlich und heiter!“  Darauf  ward  die Tullia, wie  alle im Hause Josefs, voll Heiterkeit wieder, und  alle  begaben  sich darauf zum Nachtmahle. 

Wir begeben uns mit zum Nachtmahl in das Haus Josefs. Unsere  Tullia ist unser äußeres Glaubensbekenntnis und Tullia hat Jesus  auf  die Arme  genommen,  d.h. unsere gläubige Liebe  aus  Traditionsreligion ist nun bereit, mit aller Macht Jesus  aufzunehmen, Jesus als die  reine Wahrheit aus göttlicher Liebe  geworden, und  da  herrscht  Freude  in unserer Seele.

Gestatte mir noch ein  kleines  Tränenevangelium. So  heißt  es  durch Swedenborg in der Apokalypsis explicata 4/84 und in der Apokalypsis relevata 884: 

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.  Das  bedeutet  den  Zustand  der  Glückseligkeit   infolge  der  Neigung   zum  Wahren,   nachdem   das  Falsche  durch  Versuchungen entfernt worden ist. Daß die Tränen aus den Augen die Schmerzen des Gemütes über das Falsche  und  aus  dem Falschen bedeutet, kommt daher,  weil  durch  das Auge  das Verständnis der  Wahrheit  bezeichnet  wird  und  daher  die  Tränen den  Schmerz  wegen Nichtverständnis  des  Wahren  bedeutet. 

So spricht der Herr durch E. Swedenborg in  den  Himmlischen  Geheimnissen (Ziffer 5480): 

Weinen   bedeutet  Barmherzigkeit,  wenn es   vom  Herrn             (der durch Josef ja vorgebildet  ist) ausgesagt wird. Daß  das  Weinen eine Äußerung  des  Schmerzes  und der Liebe ist, ist bekannt. Dann ist sie eine  Äußerung  der  Barmherzigkeit, denn die Barmherzigkeit ist Leid tragende Liebe. Die göttliche Liebe  wird  deswegen  Barmherzigkeit  genannt, weil das Menschengeschlecht aus sich in der Hölle ist. Und wenn der Mensch dieses in sich wahrnimmt, so fleht er die Barmherzigkeit an,  weil  das  Weinen  auch  Barmherzigkeit im inneren Sinne ist.  Deswegen  wird  einige Male im Wort auch ein Weinen von Jehova oder Herrn ausgesagt. 

Im Mysterium Magnum von Jakob Böhme  lesen  wir  im  72.  Kap., Vers.4: 

Und so heißt es im 1. Moses 45:  Josef   konnte  sich  nicht länger enthalten  wegen  der  Menschen  Elend und führte seine große Erbarmung durch den Bund   ins  Gesetz, welche  Erbarmung  Josefs  großes  Weinen  andeutet,  da  er sich  von seinen Brüdern nicht mehr konnte enthalten und  weinte,  welches  andeutet,  daß  dieses  Weinen ist die Erbarmung Gottes durch Christus. 

Ist es nicht wunderbar, daß zwei Propheten dasselbe  nur  mit  anderen  Worten aussagen, die dann das Kindlein zur Tullia  wiederholt? Erinnern wir uns an die Tränen  im  Psalm 126,5, wo der Herr durch David zu uns sagt: 

Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. 

Durch Jakob Böhme ergänzt der Herr in der Menschwerdung (284): 

Alles, was mit Tränen gesät wird, mit rechtem  Ernst, das  wird zur Substanz und gehört vor Gottes Gericht.  

Und der  Herr  bestätigt  uns  durch  Jakob  Lorber  diese  Worte  im 4.GEJ 49,4:                                                   

Siehe, Ich weinte über Mein großes Elend. (Das ließ Er  dem             Zorel sagen) Aus den Tränen entstand ein  Teich  wie  Siloah  in Jerusalem. Und Ich bade Mich nun in diesem großen  Teiche und siehe, dieses Teiches  Wasser  heilt  die  vielen  Wunden, Geschwüre und Beulen am Leibe Meiner Seele. 

Und noch ein Schlußwort des Herrn über die Tränen aus der  Haushaltung Gottes: 

O Satana, Ich weinte einst,  da  du  Mir  zuerst  ungehorsam             warst. Jetzt  weine Ich und werde noch einmal weinen, dann aber werde Ich nimmer um  dich weinen, sondern werde dir geben nach deinen Werken und  nach  deinem  Willen.  Und siehe, die Liebe Gottes wurde gerührt bis ins Innerste und es floß die erste Träne aus  dem  Auge der  ewigen  Liebe  und diese Träne floß  aus  dem  Herzen  der  Gottheit  und   hieß  und heißt und wird ewig heißen: Die Erbarmung. Diese Träne ward  zum  großen  Gewässer  und  das  Gewässer  ergoß sich in die Tiefe der  Tiefen  des  Zornes  der  Gottheit   und milderte das Feuer des Grimmes Gottes. Und  siehe,  die Gewässer wurden geschieden wie die Tautropfen  und  nun  siehe, dieser letzte Tropfen  wurde geschaffen zur Erde, die du und deine Brüder bewohnen