Ohne den freien Willen in geistigen Dingen wäre das Wort von gar keinem Nutzen, folglich hätte auch die Kirche keinen Wert

483. Es ist in der ganzen christlichen Welt bekannt, daß das Wort im weiten Sinn das Gesetz oder das Buch der Gesetze ist, nach dem der Mensch leben soll, um das ewige Leben zu erlangen; und was wird darin häufiger gesagt, als daß der Mensch Gutes und nicht Böses tun soll, und daß er an Gott und nicht an Götzen glauben soll? Auch ist dasselbe voll von Geboten und Ermahnungen hierzu, und von Segnungen und Verheißungen der Belohnungen für die, welche sie halten, und von Fluch und Drohungen für die, welche sie nicht halten. Wozu dies alles, wenn der Mensch gar keinen freien Willen in geistigen Dingen, das heißt in solchen hätte, die das Heil und das ewige Leben betreffen; was wäre es, als Eitles, das zu keinem Gebrauch dient? Und bliebe der Mensch an der Vorstellung hängen, daß er keine Kraft und keine Freiheit in geistigen Dingen habe, also in diesen ohne alle Willensmacht wäre, würde ihm dann die Heilige Schrift anders erscheinen, als wie ein leeres Blatt Papier ohne Silben, oder wie ein Blatt, auf welches das ganze Tintenfaß ausgegossen ist, oder wie bloße Strichlein oder Jotas ohne Buchstaben, oder wie ein leeres Buch?

Dies aus dem Wort zu bestätigen, wäre zwar nicht notwendig, weil jedoch die Kirchen heutigen Tages sich so sehr in die Leerheit des Gemüts in geistigen Dingen versenkt, und zu deren Bestätigung einige Stellen aus jener angeführt und diese falsch ausgelegt haben, so muß ich einige beibringen, die dem Menschen gebieten, zu tun und zu glauben; und diese sind folgende: „Es wird das Reich Gottes von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte bringt“: Matth.21/43. „Bringet würdige Früchte der Buße, denn schon liegt die Axt an der Wurzel der Bäume; jeder Baum nun, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen“: Luk.3/8,9. „Jesus sprach: Was nennt ihr Mich Herr, Herr, und tut nicht, was Ich sage; jeder, der zu Mir kommt, und Meine Reden hört und sie tut, ist gleich einem Menschen, der ein Haus auf einen Felsen baute, wer sie aber hört und nicht tut, ist gleich einem Menschen, der ein Haus auf die Erde ohne Grund baute“: Luk.6/46-49. „Jesus sprach: Meine Mutter und Meine Brüder sind die, welche das Wort Gottes hören und es tun“: Luk.8/21. „Wir wissen, daß Gott die Sünder nicht erhört, sondern, wenn jemand Gott fürchtet und Seinen Willen tut, den erhört Er“: Joh.9/31.

Wenn ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr es tut“: Joh.13/17. Wer Meine Gebote hat und sie tut, der ist es, der Mich liebt, und Ich werde ihn lieben“: Joh.14/15,[21]. „Darin ist Mein Vater verherrlicht, daß ihr viele Frucht bringet“: Joh.15/8. „Ihr seid Meine Freunde, wenn ihr tut, was Ich euch gebiete; Ich habe euch erwählt, daß ihr Frucht bringet und eure Frucht bleibe“: Joh.15/14,16. „Machet den Baum gut; an der Frucht erkennt man den Baum“: Matth.12/33. „Bringet würdige Früchte der Buße“: Matth.3/8. „Der auf das gute Land gesät ist, ist der, welcher das Wort hört und Frucht bringt“: Matth.13/23. „Wer da erntet, empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben“: Joh.4/36. „Waschet euch, reinigt euch, entfernet eurer Werke Bosheit, lernet Gutes tun“: Jes.1/16,17. „Des Menschen Sohn wird kommen in aller Herrlichkeit

Seines Vaters, und dann jeglichem vergelten nach seinen Taten“: Matth.16/27. „Es werden hervorgehen die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens“: Joh.5/29. „Ihre Werke folgen ihnen nach“: Offb.[14/13]; 20/12,13. „Siehe, Ich komme schnell, und Mein Lohn mit Mir, zu geben jeglichem nach seinem Werk“: Offb.22/12. „Jehovah, Dessen Augen geöffnet sind, zu geben jeglichem nach seinen Wegen, nach unseren Werken tut Er uns“: Sach.1/6. Dasselbe lehrt auch der Herr in den Gleichnissen, von denen mehrere in sich schließen, daß die, welche Gutes tun, angenommen, und die, welche Böses, verworfen werden, wie z.B. in dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Matth.21/33-44; von den Talenten und Pfunden, mit denen sie wuchern sollten: Matth.25/14-31; Luk.19/13-25.

Ebenso vom Glauben: Jesus sagte: „Wer an Mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben, sondern leben“: Joh.11/25,26. „Dies ist der Wille des Vaters, daß, wer an den Sohn glaubt, das ewige Leben habe“: Joh.6/40,47. „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben, wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm“: Joh.3/36. „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen Sohn, den Eingeborenen, dahingab, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern das ewig Leben habe“: Joh.3/15,16. Und weiter: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit deinem ganzen Gemüt; und du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst; an diesen zwei Geboten hängt das Gesetz und die Propheten“: Matth.22/35-38,[39,40]. Allein dies ist nur sehr weniges aus dem Wort, und wie einige Becher Wassers aus dem Meer.

484. Wer sieht nicht die Hohlheit, ich will nicht sagen, die Albernheit in dem, was oben Nr. 464 aus dem Kirchenbuch, genannt die Konkordienformel, angeführt worden ist, nachdem er dasselbe, und dann auch hin und wieder einiges im Wort gelesen hat? Wird er nicht bei sich denken: Wenn es so wäre, wie hier gelehrt wird, daß nämlich der Mensch keinen freien Willen in geistigen Dingen habe, was wäre alsdann die Religion, die im Tun des Guten besteht, was anderes als ein leeres Wort, und was die Kirche ohne die Religion anderes, als eine Rinde um das Holz, die zu keinem anderen Gebrauch dient, als daß sie verbrannt werde? Und überdies würde er denken: Gibt es keine Kirche, weil keine Religion, was sind alsdann der Himmel und die Hölle, als Märchen der Diener und Prälaten der Kirche, um den Pöbel zu fangen und sich zu höheren Ehrenstellen zu erheben? Daher jener verabscheuungswerte Wahlspruch, den viele im Munde führen: Wer kann das Gute aus sich tun, und wer kann Glauben aus sich fassen?

Infolgedessen sie dann jenes unterlassen und heidnisch leben. Doch, mein Freund, fliehe das Böse, und tue das Gute, und glaube an den Herrn von ganzem Herzen und von ganzer Seele, so wird der Herr dich lieben, und wird Liebe geben zum Tun, und Freudigkeit zum Glauben [fidem ad credendum], und dann wirst du mit Liebe das Gute tun, und aus einem Glauben, welcher Zuversicht ist, glauben; und wenn du so beharrst, wird eine gegenseitige Verbindung entstehen, und zwar eine fortwährende, welche die Seligkeit und das ewige Leben selbst ist. Würde nicht der Mensch aus den ihm gegebenen Kräften das Gute tun, und nicht aus seinem Gemüt an den Herrn glauben, was wäre alsdann der Mensch anderes, als eine Öde und Wüste, und völlig wie ein trockenes Land, das den Regen nicht in sich aufnimmt, sondern zurückstößt?

Oder wie eine Sandsteppe, in der Schafe sind, die keine Weide haben? Oder er wäre wie eine vertrocknete Quelle; oder wie ein stehender Sumpf in ihr, nachdem die Ader verstopft ist; oder wie eine Niederlassung, 1 Dieser Plan kam offenbar nicht zur Ausführung; es ist jedoch wahrscheinlich, daß das nachgelassen» Werk »Coronis«, gedacht als Anhang zur WCR, von dem ein Teil des Manuskripts fehlt, entsprechende Hinweise enthielt. (entnommen aus WCR Band III, Abs. Nr. 485, von F. Horn) in der keine Ernte und kein Gewässer, und wo er, wenn er diesen Ort nicht alsbald verließe und sich anderwärts einen bewohnbaren Wohnsitz suchte, vor Hunger und Durst sterben würde.